Es war einmal...
Sparte: GeschichtenVor vielen, vielen Jahren lebte in einem fremden Land fern von hier, hinter Bergen und Wäldern, Tälern und Flüssen ein Mann. Er war nicht jung und nicht alt, nicht arm und nicht reich. Was ihm an geistigen Gaben fehlte, machte er durch seine Bauernschläue wett.
Dieser Mann spürte in sich, dass er zu Höherem berufen war. So versuchte er sich hier und da, arbeitete dies und das, traf den einen oder anderen – aber so richtig wollte sich kein Erfolg einstellen. Mag sein, dass er zu vieles versuchte und doch nichts zu Ende führte, mag sein, dass er zu ungeduldig war – wer sollte das heute noch beurteilen?
Der Mann jedoch verzagte nicht!
Er ging weiter seinen Weg, von dem er hoffte, dass er ihn aus seinem kleinen , altehrwürdigen Ort einmal hinaus und auf den Gipfel des Erfolgs führen würde. So vergingen die Jahre und er verbrachte immer mehr Zeit mit der Suche nach der Antwort auf die Frage, warum ihm das Schicksal nicht hold war. Aber da er sich ja zu Höherem berufen fühlte, gab er immer den Anderen die Schuld, hielt sich für verkannt und suchte Trost in dem einen oder anderen Glas Wein…
In dem Land, in dem der Mann wohnte, lebte auch eine Prinzessin. Sie war fast wie er: nicht jung und nicht alt, nicht arm und nicht reich – doch sie wusste, was sie wollte und arbeitete daran, ihre Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen.
Und so wie die Nornen seit Urzeiten die Fäden des menschlichen Schicksal spinnen und den Stoff des Lebens daraus wirken, den einen Faden aufnehmen, den anderen abschneiden, wieder andere verwirren so trafen auch die beiden Fäden des Mannes und der Prinzessin zusammen und verwoben sich.
Das Rad der Zeit drehte sich weiter, die Menschen rückten einander näher und so kam es, dass eines Tages Straßen die Wälder durchzogen und Brücken die Täler überspannten. Die fremden Menschen kamen sich näher und plötzlich merkte man, dass sie sich gar nicht so fremd waren! Zwar unterschieden sich oft die Sitten und Gebräuche, aber manche fanden heraus, dass sie sogar gemeinsame Ahnen oder Urahnen hatten…
Eines Tages nun schüttete die Glücksgöttin ihr Horn über die Beiden aus: Die Prinzessin hatte in einem der nunmehr so nahe gerückten Länder auch Ahnen, welche ihr die alte Familienregentschaft in einem kleinen Reich vermachten.
Das war eine Freude!
Aber was tun? Sie hatte ihren eigenen Hofstaat, den sie nicht verlassen konnte…
Bald hatten sie jedoch gemeinsam eine Idee: Der Mann, der immer schon nach Höherem strebte und doch nie erreicht hatte, bekam vom Schicksal eine Chance: Die Prinzessin schickte ihn in das fremde Land, um als ihr Hofmarschall das kleine Reich zu lenken und zu leiten.
Doch ach: Kaum angekommen, bemerkte der Hofmarschall, dass es um die Wirtschaft in diesem Reich schlecht stand: Nur wenige Untertanen lebten hier und deren Unterkünfte waren marode. So machte er sich daran, mit Hilfe seiner Untertanen und vielen Helfern aus den Nachbarreichen alles neu aufzubauen und schön und modern zu gestalten. Als erstes errichtete er für viel Geld eine bunte Fassade und stellte Blumenreihen auf, die den Blick auf das morsche Innere verwerten.
Die Nornen jedoch spannen ihre Fäden weiter und das Schicksal ist unerbittlich: Der Hofmarschall verstand die Sitten und Gebräuche in diesem kleinen Reich nicht - und so hielt er die Untertanen für dumm und sich selbst für sehr gelehrt und allwissend und allen anderen weit überlegen! HIER war er endlich dass, wozu er sich berufen fühlte: Ein, wenn auch nur kleiner, aber doch KÖNIG über seine Untertanen! So verfiel er wieder in seinen alten Fehler: fing dies und das an, ließ es wieder liegen, belehrte alle und jeden, geizte bei der Entlohnung und warf andernorts das Geld hinaus... Nicht nur seine Untertanen sondern selbst die treuen Helfer aus den Nachbarreichen hielt er immer mehr für seine Leibeigenen, die ihm in Allem zu gehorchen hatten und für die sein Wille Gesetz sein sollte.
Das war aber Niemandem Recht! Sie waren freie Bürger und wollten es bleiben!
So blieben immer mehr Helfer fern und seine Untertanen wanderten aus…
Da kam er auf die Idee und nahm Wandernde und Heimatlose aus anderen Reichen bei sich auf, bot ihnen Heim, Haus und Hilfe und setzte sich lautstark für sie ein – gleich einer Spinne baute er ein Netz, in welchem sich mancher Heimatlose verfing! Doch hinter der Maske der Großzügigkeit verbarg sich nur ein kleiner Intrigant...
Die Prinzessin besuchte ab und zu ihr kleines Reich, um zu sehen, ob alles zum Rechten wäre. Doch die Blumenkästen hielt sie für eine blühende Landschaft, die bunte Fassade für ein vollkommenes Bauwerk und sie glaubte ihrem Hofmarschall, dass alles bester Ordnung wäre, auch wenn manche Untertanen murrten - das wären eben Quertreiber, die überall anecken, aber er würde sie deshalb nicht verachten, denn er habe Mitleid mit ihnen. So reiste die Prinzessin jedesmal beruhigt wieder ab und der Hofmarschall regierte weiter selbstzufrieden und sich in seinem eigenen Licht sonnend. Wie gut war er doch! Und wie schlecht waren die Anderen! Darauf mußte man ganz einfach ein Weinchen trinken...
Das Schicksal jedoch ist hart und unerbittlich, es vergibt keinem, der eine große Chance ignorant vertut – obwohl er sie mit beiden Händen hätte greifen und fest halten können...
So geschah es eines Tages, dass er einen heimatlosen Wanderer traf und auch ihm Heim und Hilfe anbot. Der Wanderer nahm dankbar an – und weil es ihm gefiel, zog er schon bald mit den Seinen in das Reich des kleinen Hofmarschall-Königs ein.
Gar bald aber mussten der Wanderer und die Seinen merken, in welches Netz sie gegangen waren. Da sie in ihrem Leben jedoch schon viel Unbill erfahren hatten und manche Gefahr überstehen mussten, nahmen sie den ungleich erscheinenden Kampf mit dem Spinnennetz-Homarschall-König auf.
Lange Zeit ging es auf und ab, mal gab es Burgfrieden, mal Auseinandersetzungen – doch schon bald erkannte der kleine Hofmarschall-König, dass der Brocken, den er schlingen wollte, zu groß war für seinen Hals und dass sein Spinnennetz zu zerreißen drohte, denn die anderen Untertanen und die ehemaligen Helfer der Nachbarreiche beobachteten wachen Auges und Verstandes was da vor sich ging - und bald schon halfen sie dem Wanderer und den Seinen. Die Bemühungen, seinen wankenden Thron zu schützen indem er die Wandererfamilie verjagte, blieben jedoch erfolgslos - egal welche Lügen er ersann und wie er auch lavierte.
So nahm das Schicksal seinen Lauf und schon bald erhielt der Hofmarschall-König einen weiteren derben Schlag: Die Prinzessin entschloss sich, in die Heimat ihrer Ahnen zu ziehen! Nun, da sie Tag für Tag in ihrem kleinen Reich weilte, erkannte sie langsam, was Fassade war und was real. Um ihren Hofmarschall und ihr Habe zu schützen hielt sie einen Angriff für die beste Verteidigung und versuchte mit Unterstützung anderer Mächtiger, die Wandersleute klein zu bekommen. Doch auch sie scheiterte kläglich, denn wenn Familie, Recht und Gerechtigkeit zusammen gehen hat das Böse keine Chance...
So kam es, dass eine Palastrevolution die Luft reinigte, die Spinnenweben ans Licht kamen und von einem frischen Wind zerfetzt wurden, denn die Prinzessin entließ ihren Hofmarschall und setzte einen jungen und doch erfahrenen Verwalter an seine Stelle.
Es siegte letztendlich das Gute, auch wenn längst nicht alle Schäden beseitigt waren! Doch die ehemaligen Untertanen und die Helfer aus den Nachbarreichen waren fortan in Kameradschaft verbunden und sorgten dafür, dass keine Spinne mehr einfach so ihr Netz auf dem kleinen Fleckchen Erde bauen und auf ahnungslose Oper lauern kann!
Der kleine König ohne seinen Thron aber lebte nun mitten unter seinen ehemaligen Untertanen, als Gleicher unter Gleichen. Diese waren wahrhaft großmütig: Sie traten ihn, der nun am Boden lag, nicht – aber den selbst eingeschenkten Kelch der Verachtung muss er wohl bis zur bitteren Neige leeren...
MaRe 08/2009
Dieser Mann spürte in sich, dass er zu Höherem berufen war. So versuchte er sich hier und da, arbeitete dies und das, traf den einen oder anderen – aber so richtig wollte sich kein Erfolg einstellen. Mag sein, dass er zu vieles versuchte und doch nichts zu Ende führte, mag sein, dass er zu ungeduldig war – wer sollte das heute noch beurteilen?
Der Mann jedoch verzagte nicht!
Er ging weiter seinen Weg, von dem er hoffte, dass er ihn aus seinem kleinen , altehrwürdigen Ort einmal hinaus und auf den Gipfel des Erfolgs führen würde. So vergingen die Jahre und er verbrachte immer mehr Zeit mit der Suche nach der Antwort auf die Frage, warum ihm das Schicksal nicht hold war. Aber da er sich ja zu Höherem berufen fühlte, gab er immer den Anderen die Schuld, hielt sich für verkannt und suchte Trost in dem einen oder anderen Glas Wein…
In dem Land, in dem der Mann wohnte, lebte auch eine Prinzessin. Sie war fast wie er: nicht jung und nicht alt, nicht arm und nicht reich – doch sie wusste, was sie wollte und arbeitete daran, ihre Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen.
Und so wie die Nornen seit Urzeiten die Fäden des menschlichen Schicksal spinnen und den Stoff des Lebens daraus wirken, den einen Faden aufnehmen, den anderen abschneiden, wieder andere verwirren so trafen auch die beiden Fäden des Mannes und der Prinzessin zusammen und verwoben sich.
Das Rad der Zeit drehte sich weiter, die Menschen rückten einander näher und so kam es, dass eines Tages Straßen die Wälder durchzogen und Brücken die Täler überspannten. Die fremden Menschen kamen sich näher und plötzlich merkte man, dass sie sich gar nicht so fremd waren! Zwar unterschieden sich oft die Sitten und Gebräuche, aber manche fanden heraus, dass sie sogar gemeinsame Ahnen oder Urahnen hatten…
Eines Tages nun schüttete die Glücksgöttin ihr Horn über die Beiden aus: Die Prinzessin hatte in einem der nunmehr so nahe gerückten Länder auch Ahnen, welche ihr die alte Familienregentschaft in einem kleinen Reich vermachten.
Das war eine Freude!
Aber was tun? Sie hatte ihren eigenen Hofstaat, den sie nicht verlassen konnte…
Bald hatten sie jedoch gemeinsam eine Idee: Der Mann, der immer schon nach Höherem strebte und doch nie erreicht hatte, bekam vom Schicksal eine Chance: Die Prinzessin schickte ihn in das fremde Land, um als ihr Hofmarschall das kleine Reich zu lenken und zu leiten.
Doch ach: Kaum angekommen, bemerkte der Hofmarschall, dass es um die Wirtschaft in diesem Reich schlecht stand: Nur wenige Untertanen lebten hier und deren Unterkünfte waren marode. So machte er sich daran, mit Hilfe seiner Untertanen und vielen Helfern aus den Nachbarreichen alles neu aufzubauen und schön und modern zu gestalten. Als erstes errichtete er für viel Geld eine bunte Fassade und stellte Blumenreihen auf, die den Blick auf das morsche Innere verwerten.
Die Nornen jedoch spannen ihre Fäden weiter und das Schicksal ist unerbittlich: Der Hofmarschall verstand die Sitten und Gebräuche in diesem kleinen Reich nicht - und so hielt er die Untertanen für dumm und sich selbst für sehr gelehrt und allwissend und allen anderen weit überlegen! HIER war er endlich dass, wozu er sich berufen fühlte: Ein, wenn auch nur kleiner, aber doch KÖNIG über seine Untertanen! So verfiel er wieder in seinen alten Fehler: fing dies und das an, ließ es wieder liegen, belehrte alle und jeden, geizte bei der Entlohnung und warf andernorts das Geld hinaus... Nicht nur seine Untertanen sondern selbst die treuen Helfer aus den Nachbarreichen hielt er immer mehr für seine Leibeigenen, die ihm in Allem zu gehorchen hatten und für die sein Wille Gesetz sein sollte.
Das war aber Niemandem Recht! Sie waren freie Bürger und wollten es bleiben!
So blieben immer mehr Helfer fern und seine Untertanen wanderten aus…
Da kam er auf die Idee und nahm Wandernde und Heimatlose aus anderen Reichen bei sich auf, bot ihnen Heim, Haus und Hilfe und setzte sich lautstark für sie ein – gleich einer Spinne baute er ein Netz, in welchem sich mancher Heimatlose verfing! Doch hinter der Maske der Großzügigkeit verbarg sich nur ein kleiner Intrigant...
Die Prinzessin besuchte ab und zu ihr kleines Reich, um zu sehen, ob alles zum Rechten wäre. Doch die Blumenkästen hielt sie für eine blühende Landschaft, die bunte Fassade für ein vollkommenes Bauwerk und sie glaubte ihrem Hofmarschall, dass alles bester Ordnung wäre, auch wenn manche Untertanen murrten - das wären eben Quertreiber, die überall anecken, aber er würde sie deshalb nicht verachten, denn er habe Mitleid mit ihnen. So reiste die Prinzessin jedesmal beruhigt wieder ab und der Hofmarschall regierte weiter selbstzufrieden und sich in seinem eigenen Licht sonnend. Wie gut war er doch! Und wie schlecht waren die Anderen! Darauf mußte man ganz einfach ein Weinchen trinken...
Das Schicksal jedoch ist hart und unerbittlich, es vergibt keinem, der eine große Chance ignorant vertut – obwohl er sie mit beiden Händen hätte greifen und fest halten können...
So geschah es eines Tages, dass er einen heimatlosen Wanderer traf und auch ihm Heim und Hilfe anbot. Der Wanderer nahm dankbar an – und weil es ihm gefiel, zog er schon bald mit den Seinen in das Reich des kleinen Hofmarschall-Königs ein.
Gar bald aber mussten der Wanderer und die Seinen merken, in welches Netz sie gegangen waren. Da sie in ihrem Leben jedoch schon viel Unbill erfahren hatten und manche Gefahr überstehen mussten, nahmen sie den ungleich erscheinenden Kampf mit dem Spinnennetz-Homarschall-König auf.
Lange Zeit ging es auf und ab, mal gab es Burgfrieden, mal Auseinandersetzungen – doch schon bald erkannte der kleine Hofmarschall-König, dass der Brocken, den er schlingen wollte, zu groß war für seinen Hals und dass sein Spinnennetz zu zerreißen drohte, denn die anderen Untertanen und die ehemaligen Helfer der Nachbarreiche beobachteten wachen Auges und Verstandes was da vor sich ging - und bald schon halfen sie dem Wanderer und den Seinen. Die Bemühungen, seinen wankenden Thron zu schützen indem er die Wandererfamilie verjagte, blieben jedoch erfolgslos - egal welche Lügen er ersann und wie er auch lavierte.
So nahm das Schicksal seinen Lauf und schon bald erhielt der Hofmarschall-König einen weiteren derben Schlag: Die Prinzessin entschloss sich, in die Heimat ihrer Ahnen zu ziehen! Nun, da sie Tag für Tag in ihrem kleinen Reich weilte, erkannte sie langsam, was Fassade war und was real. Um ihren Hofmarschall und ihr Habe zu schützen hielt sie einen Angriff für die beste Verteidigung und versuchte mit Unterstützung anderer Mächtiger, die Wandersleute klein zu bekommen. Doch auch sie scheiterte kläglich, denn wenn Familie, Recht und Gerechtigkeit zusammen gehen hat das Böse keine Chance...
So kam es, dass eine Palastrevolution die Luft reinigte, die Spinnenweben ans Licht kamen und von einem frischen Wind zerfetzt wurden, denn die Prinzessin entließ ihren Hofmarschall und setzte einen jungen und doch erfahrenen Verwalter an seine Stelle.
Es siegte letztendlich das Gute, auch wenn längst nicht alle Schäden beseitigt waren! Doch die ehemaligen Untertanen und die Helfer aus den Nachbarreichen waren fortan in Kameradschaft verbunden und sorgten dafür, dass keine Spinne mehr einfach so ihr Netz auf dem kleinen Fleckchen Erde bauen und auf ahnungslose Oper lauern kann!
Der kleine König ohne seinen Thron aber lebte nun mitten unter seinen ehemaligen Untertanen, als Gleicher unter Gleichen. Diese waren wahrhaft großmütig: Sie traten ihn, der nun am Boden lag, nicht – aber den selbst eingeschenkten Kelch der Verachtung muss er wohl bis zur bitteren Neige leeren...
MaRe 08/2009
Waldschratt - 19. Aug, 02:14