18
Mrz
2009

Raum der Stille

Sparte: Geschichten

Ein kleiner Raum, abseits gelegen von Hektik und Stress, genau genommen schon im Untergeschoß. In den Gängen davor kaum ein Mensch und doch ist er leicht zu erreichen, nur wenige Schritte vom Fahrstuhl entfernt, die seitlichen Türen einladend geöffnet.

Quasi aus der Dämmerwelt des nur von Kunstlicht erhellten Kellers tritt man ein in einen sonnen-durchfluteten Raum, dessen schräg nach oben führenden Panoramafenster das Licht fast ungehin-dert herein lassen, den Raum füllend bis in die letzte Reihe. Klar in seiner Linienführung, sparsam in seiner Einrichtung wirkt er doch bereits auf den ersten Blick warm, herzlich – übersichtlich und doch auch mit kleinen Ecken, die das Rund hinter dem Altar sanft betonen.

Der Altar ist einfach, ja schlicht, Als Schmuck ein kleiner Läufer unter dem aufgeschlagenen Buch und ein Strauß Frühlingsblumen, sonst nichts. Kein Kruzifix, kein Kelch – kein weiterer Hinweis auf eine bestimmte Religion. Dafür sind an der Wand dahinter die

Symbole der fünf großen Religionen

Raum_der_Stille

zu sehen: Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Judentum und Muslime, in durchbrochenes Metall geformt, von indirektem Licht dezent abgehoben vom hellen Wandverputz. In ihrer Art gleich sind sie nebeneinander angebracht: gleich groß, auf gleicher Höhe – gleichwertig. So künden sie gemeinsam von der gemeinsamen Idee, die wohl jeder Religion zu Grunde liegt:

"Hilf Deinem Nächsten in brüderlicher Liebe!"

egal ob er oder du Allah verehrst, Shiva, Jesus oder Jahve, ob Du Freigeist bist oder Pantheist… Im friedlichen, gleichberechtigten Nebeneinander mahnen sie auch den Frieden unter uns Menschen an, der so ersehnt und doch so schwer zu machen ist. Diese Symbole: Sie sind nicht raumfüllend, sie drängen sich nicht auf, sie versperren nicht die Sicht sondern lassen Platz neben sich für eigene Gedanken, eigene Symbole – so, wie wir sie mit dem Gedanken der Koexistenz ideell hinzu fügen mögen. Und doch sind sie präsent…
Die schrägen Panoramafenster hinter dem Altar führen den Blick sanft in die Höhe. Beim Aufschauen und Betrachten spürt man förmlich die Analogie – vom Erbauer bewusst geplant oder Ergebnis eines "Zufalls"?
Wer kann sagen, wie viele der Menschen, die ihr Weg in den "Raum der Stille" führt, sich nicht emotional an einem "Loch" befinden? Und hier sind sie sogar im wahren Sinn des Wortes angekommen: in der untersten der der Öffentlichkeit zugänglichen Etagen – passend zum persönlich Tief, den Blick oft zu Boden gesenkt um nichts zu sehen…

Dann fällt der Blick auf die fünf Symbole, gleichsam als Anregung, als Basis für ein Aufschauen und Erkennen: Vor dem Fenster, an der Böschung, dorniges Gestrüpp, ineinander verflochten, schier undurchdringlich – so wie das, was man erlebt, was einem noch bevorsteht auf dem dornigen, schweren, von Kämpfen gezeichneten Weg hinauf zum Licht, so real wie die Sorgen und Nöte – und doch auch behangen mit den roten Winterbeeren, Farbtupfer als Akzente im dunklen, ja fast schmutzigen Braun – zugleich Relikte des Vergangenen und Künder des Kommenden: Frucht des letzten Jahres und Samen für das Kommende!

Darüber erhebt sich ein entlaubter Stamm, seitlich flankiert von sturmflüchtenden Nadelbäumen. Kraftvoll reckt er seinen Hauptast in Fortsetzung des Stammes dem Himmel entgegen, versucht festverwurzelt in der Erde die Weite des Blau zu erreichen, sich mit jeder Faser dem Licht entgegen zu strecken, welches bereits einen dünnen Schein von kommenden Grün seine Äste zu überziehen scheint.

Das Herz wird frei, die Brust dehnt sich ob der Helle und der Weite des Himmelsgewölbes. Der Geist, die Seele schwingen sich frei von Sorgen und Ballast hinaus, hinan in die Weite der Welt, Luft und Licht förmlich genießend, sie steigen kraftvoll hoch über die drückende Enge des Tiefs gleich einem Phönix, der wiedergeboren der Asche entsteigt! Und über eine ungeahnte Verbindung schöpft der Körper Kraft, die Lunge atmet tief, man vermeint taufeuchte morgenfrische Waldluft zu riechen, zu schmecken – und in Resonanz mit diesem Energiefluß steigt die Zuversicht, dass Vertrauen…

Die Realität beendet sanft den "metaphysischen" Ausflug. Doch auch wieder angekommen im Hier & Jetzt der materiellen Welt weicht das Gefühl der Kraft nicht, ein Gefühl der Sicherheit, der Wärme und der Geborgenheit…

Mit einem Lächeln auf den Lippen verläßt man gestärkt und ruhig diesen kleinen und doch so großen Raum mit der Gewißheit, dass man körperlich allein sein kann und doch nicht verlassen; im Gehen noch eine eintretende Person grüßend und ihr und allen Anderen im Geiste wünschend:

"Lernt mit dem Herzen sehen!"


Geschrieben in Gera am 18.03.2009 für:
die, die da waren,
die, die da sind,
und die, die da kommen werden…


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Sehnsucht nach Ruhe

Sparte: Geschichten

Krankenhausalltag: Kommen und Gehen, Eilen, Rasten und Ruhen, Rettungsdienste und letzter Wagen, Freude und Schmerzen – alles liegt dicht bei einander. Auf den Bänken sitzen Patienten, manche mit Freunden oder mit der Familie, die ersten warmen Sonnenstrahlen genießend, während Schwester, Pfleger, Ärzte, Mitpatienten an ihnen vorüber gehen. Alle sind sie Teil der dunkleren Facette des Lebens, dessen Lauf oft hier im Kreißsaal beginnt und der in anderen Räumen auch seinen Abschluss findet, so wie das große Rad sich dreht und den Lebensfaden spinnt. Und vielleicht begann sogar der eine oder andere Kreis hier bereits vor der Geburt…

Auf vielen Stationen sind Leiden und Schmerzen zu Gast, auf einigen sogar schon fast zu Hause – und mit ihnen Qualen, die selbst die beste Fürsorge, die besten Medikamente, die modernsten Instrumente und Methoden doch nur körperlich zu lindern vermögen!

Man liegt in einem Zimmer: Es ist funktional eingerichtet, kaum ein Platz für Persönliches außer ein paar Blumen auf dem Tisch, einem Bild auf dem Nachtschrank, vielleicht einem Kuscheltier auf dem Bett; zusammengewürfelt vom Schicksal mit zwei fremden Menschen. Man kennt sich nicht, jeder hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Leiden, seine eigene Art. Hat man Glück, verträgt man sich, hat man Pech, ist die Stimmung gereizt , der eine schnarcht, der andere schaut den ganzen Tag fern, wieder einer hat Vollkost und der Diätler sitzt mit am Tisch, die Genüsse nur optisch und ophtologisch genießend… Man muss sich anpassen, auf all die Veränderungen einstellen: anderer Tagesablauf, fort von den Lieben, fort von dem was man gern tut, oft auch Zwangsurlaub von der Arbeit – kurz von allem, was den Tag aus- und, mehr oder weniger, erfüllt. Man muss Toleranz üben – auch wenn es schwer fällt. Und dazu dann die Sorgen: "Was wird werden: Schmerzen, OP…?", "Wie lange…?", "Was kommt danach?" Und manchmal auch: "Was wenn…?"Man ist nie mit sich allein, die Privatsphäre aufgehoben wie es keine Überwachungsteam vermag, ist immer angespannt und möchte doch so gern einmal entfliehen, nachdenken … Zwiesprache halten mit sich selbst. Doch wohin mit dem "eigenen Ich", wo findet man Ruhe in der Regsamkeit der Klinik?

Ein Ort der Stille, der jedem offen steht, an dem man Ruhe findet, Einkehr halten kann – so wie in manch kleiner Kapelle "draußen", "in Freiheit", doch vielleicht nicht so katholisch oder überhaupt kirchlich determiniert, Freigeist atmend – eben ein Ort des Suchens und des Findens…

Auch wenn der Hauptgrund für das Konzept eines besonderen Raumes im Krankenhaus, der quasi ein "Asyl" sein kann für Menschen in seelischer Not, wohl ursprünglich der ökumenische Gedanke gewesen ist, so wurde doch daraus ein kraftvoller Ort des Friedens und der Besinnung, ein

"Raum der Stille"



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